Farben sollen das Lesen und Verstehen von Berichten einfacher machen. Wir haben nachgedacht, wie das am besten geht. Und festgestellt: einfacher mit Farben ist schwierig. Damit es Ihnen nicht zu bunt wird, hier einige Gedanken zu Rot, Blau und Grau.
Die Geschichte fing so an: Jemand sagte, manche Kennzahlen sind weder gut noch schlecht – erst wenn man einen Bewertungsmaßstab hinzufügt, werden sie es. Den hat man nicht immer in petto. Also warum bis dahin die Kennzahl bzw. die grafischen Elemente dafür nicht grau malen? Bis dato hatten wir alles entweder blau oder rot gemalt. (Oder grün statt blau – gewohnter, aber schlechter zu lesen.) Wir grübelten eine Weile.
Auf einen Stichtag normierte Aktienkurse (ausnahmsweise ohne Werte): Wie schön, wenn das Auge so klare, einfache Signale bekommt. Je mehr Blau und oben, desto mehr wurde aus der Investition, je mehr Rot und unten, desto weniger. Quelle: DeltaMaster.
Der Idee, dass Grau für neutral stehen könnte, konnten wir etwas abgewinnen. Durchlaufzeiten in der Produktion können nicht beliebig kurz sein. Gebäude sind selten bis zum letzten Quadratmeter vermietet. Der beste Datenbank-Server ist nicht immer verfügbar. Irgendein Wert größer 0 oder kleiner 100 Prozent ist also normal. Man müsste einen Sollwert haben und erst die Abweichungen davon wären dann definiert: Mehr Vermietung ist gut und blau, weniger Vermietung rot und schlecht.
Ab welchem Wert ist ein Vermietungsstand „gut“ oder „schlecht“? Malen wir ihn nicht besser grau an, solange wir das nicht wissen? Quelle: DeltaMaster.
Auch Bella hatte schon einmal darauf hingewiesen, dass Rohstoffpreise nicht ohne weiteres eine Richtung haben. „Des einen Grün ist des anderen Rot“, merkte sie dazu an und meinte mit den einen die Produzenten, mit den anderen die Konsumenten. Vermisst hatte sie mehr Grau im Wall Street Journal, das steigende Rohstoffpreise grün malt.
Je länger wir darüber nachdachten, desto mehr Konstellationen fielen uns ein, die nach differenzierter Färbung verlangen. Was zum Beispiel machen wir mit Sollwerten, von denen Abweichungen in beiden Richtungen unerwünscht sind? Am besten Rot in jede Richtung malen!
Wenn das nicht grauenhaft, pardon, ein Fall für Grau ist: Wofür sich Junge und Alte verschuldet haben. Quelle: Die Zeit, 08.04.2011, S. 17.
Derart motiviert dachten wir über Standards für Kennzahltypen, Datenkonstellationen und Einfärbungen nach. Einige neue Varianten für grafische Elemente entstanden auch dabei. Zum Beispiel könnte man Balken zweifarbig malen: Alles bis zum Durchschnitt oder Sollwert malen wir gut, alles darüber schlecht.
Wenn Werte erst ab einer Schwelle schlecht sind: Balken in zwei Farben malen? Quelle: DeltaMaster.
Im Detail zeigten sich erwartungsgemäß einige Tücken. So fanden wir, dass unsere zweifarbigen Balken einen Separator brauchen. Der wiederum wirft Fragen der Differenzierung auf, denn der Separator verlängert die Balken von Werten, die oberhalb des Durchschnitts liegen. Hinzufügen verändert.
Wenn Farben aufeinandertreffen, muss man für Separierung sorgen. Hier geht sie auf Kosten der wertmäßigen Differenzierung. Quelle: DeltaMaster.
Wir blätterten durch unseren Fundus an Beispielen von Informationsgrafiken. Der Fundus erwies sich einmal mehr als Schreckenskeller: Grafikprogramme arbeiten mit standardisierten Farbpaletten. Unkorrigiert entstehen daraus kuriose Signale. Die FAZ malt regelmäßig den ersten von zwei Werten blau, den zweiten rot. Die WELT malt Aktienkurse rot – ob sie steigen oder fallen. Über unser Blau statt Grün kann man streiten, aber die Signalwirkung von Rot bei Wirtschaftszahlen halten wir für eine bewährte Konvention. Wir sehen nicht ein, warum man sie ausgerechnet im Wirtschaftsteil einer Zeitung ignoriert.
Die FAZ malt den ersten von zwei Werten blau, den zweiten rot. Hier heißt das: Prognostizierte Schulden schlimmer als echte. Kurios. Quelle: FAZ, 11.12.2009, S. 21.
Die Financial Times druckt schwarz-weiß. Den meisten Grafiken darin schadet das nicht. Wenn man aber drei Zustände zeichnen möchte (gut, schlecht, neutral), entsteht das Problem, drei Grautöne zuordnen zu müssen. Zwei Grautöne hingegen sind schnell als Ersatz für Blau und Rot gelernt.
Zwei Zustände in Grau versteht man gut, drei nicht mehr. Quelle: Financial Times, 23.08.2010, S. 7.
Wir schoben diese Sorge zunächst beiseite und überlegten weiter. Wie gehen wir mit den Abweichungen von Werten um, die wir als neutral definiert hatten? Mehr Vermietung als geplant ist gut, weniger Vermietung als geplant ist schlecht. Das könnte man ja wieder blau und rot malen. Dann stünden graue, blaue und rote Werte nebeneinander.
Irgendwie seltsam, oder? Erst ist etwas neutral und dann doch wieder nicht. Und das macht man an einem Soll-Wert fest, der dann doch über- und unterschritten werden kann? Und wir können vorher schon sagen, ob uns die Über- oder Unterschreitung lieber ist? Nein. Vermietungsstand ist nicht neutral. Den können wir gleich blau malen. Und Verfügbarkeit auch. Und Durchlaufzeit rot. Und Schuldner auch rot.
Was ist mit Bevölkerungszahlen von Städten, in denen ich Filialen habe? Antwort: Wenn man darüber berichtet und die Unterschiede mit Balken grafisch herausarbeitet, dann mit Grund. Bella würde sagen: “Mal nicht egal.” Vielleicht vermuten wir mehr Kaufkraft, je größer die Stadt? Gut für unsere Filialen.
Je mehr Beispiele wir uns vornahmen, desto entschiedener wurden wir. Sobald wir berichten, wird Grau selten wie alle Theorie. Warum sollen wir etwas zählen, berichten, visualisieren, wenn uns alle Wertunterschiede kalt lassen sollen? Daher: Rot oder Blau. Alles andere ist flau.