Liebe Datenanalysten,
die Hoffnung, dass überlegene Analysetechnologie zu Wettbewerbsvorteilen verhilft, haben Unternehmer und Manager nicht erst, seit selbst Tageszeitungen über „Big Data“ berichten. Unsere Erfahrung aus zahllosen Analyseprojekten ist: Oftmals kommen die wertvollsten Hinweise, wo etwas zu tun ist, nicht aus allweisen Algorithmen, sondern aus wohlüberlegten Kennzahlen, die man mit ganz robusten Verfahren untersucht. Die Kunst liegt darin, die passenden Kennzahlen zu finden – und, einen Schritt früher: die richtigen Fragen zu stellen und auszuklügeln, wie diese sich in Kennzahlen niederschlagen. Von Software erwartet man dann vor allem, dass man die Kennzahlen einfach definieren, analysieren und präsentieren kann, ohne dass die Bedienung der Software ihrerseits Fragen aufwirft. Wie sich betriebswirtschaftliche Fragen flüssig in analytische Anwendungen umsetzen lassen, ohne dass man sich in Technik oder Statistik verhaspelt, zeigen wir in diesen clicks! am Beispiel einer flexiblen Frühwarnfunktion.
Herzliche Grüße
Ihr Team von Bissantz & Company
Eine immer gleiche Anforderung begegnet uns in ganz unterschiedlichen Unternehmensbereichen und Branchen: Gesucht ist eine Art Frühwarnsystem, das rechtzeitig Alarm schlägt, bevor etwas aus dem Ruder läuft. Häufig greift man dazu auf Hochrechnungen zurück; diese haben wir in den DeltaMaster clicks! 12/2014 behandelt. Ebenso wichtig ist es, bedeutsame Veränderungen rechtzeitig zu erkennen – und darum geht es im Folgenden.
Die nebenstehende Abbildung zeigt einen für diesen Zweck angefertigten Bericht aus unserer Referenzanwendung „Chair“. Darin ist aufgeführt, wie viel Rabatt auf die einzelnen Produkte gewährt wurde und wie stark die aktuellen Rabatte jeweils vom Durchschnitt der letzten Monate abweichen („? zu Ø“, „Delta zu Durchschnitt“).
Das Warnsignal ist gut zu erkennen: Bei „Hansen 10“ ist der Rabatt im Berichtsmonat stark erhöht. Auch „Precisio LF“ und „EF Besucherst. MP“ fallen auf, die Rabatte sind stark rückgängig. Und dass offensichtlich Kompensationseffekte vorliegen, ist eine weitere wichtige Erkenntnis.
Wie setzt man so etwas in DeltaMaster um? In erster Linie sind die betriebswirtschaftlichen Aspekte zu klären:
- Was soll aus dem Ruder laufen bzw. eben nicht? Sprich: Welche Kennzahlen eignen sich als Indikatoren, auf die wir ein Auge haben sollten?
Kandidaten hierfür sind insbesondere die „ungünstigen“ Kennzahlen, die es in vielen Anwendungsgebieten gibt, zum Beispiel Rabatte (im Vertrieb), Leerfahrten (in der Logistik), Kündigungen (bei Verlagen und Dienstleistern), Leerstand (in der Immobilienwirtschaft) oder Retouren (im Versandhandel). Diese Kennzahlen müssen in der zugrunde liegenden Datenbank angelegt oder zumindest ableitbar sein. Meist kommen sie ohnehin in DeltaMaster-Anwendungen vor, zum Beispiel als Teil eines Kennzahlenschemas, sodass wir uns hier darauf konzentrieren können, das Einsetzen ungünstiger Entwicklungen festzustellen.
- Wie wollen wir ein Aus-dem-Ruder-Laufen erkennen? Sprich: Womit vergleichen wir diese Kennzahlen und wie bewerten wir das Ergebnis?
Ein robuster Ansatz ist es häufig, die Kennzahl in ihrer zeitlichen Entwicklung zu verfolgen – den aktuellen Wert einer Kennzahl also mit früheren Werten zu vergleichen. In der Praxis hat es sich bewährt, nicht nur mit einem früheren Wert zu vergleichen, sondern mit dem Durchschnitt aus mehreren Perioden, um die Entwicklung etwas zu glätten und die jeweils jüngsten Ergebnisse zu relativieren. Man spricht auch vom rollierenden oder gleitenden Durchschnitt oder Mittelwert, im Englischen von Moving Average, Rolling Average oder Running Average. Beliebt ist zum Beispiel der Durchschnitt der letzten drei Monate.
In unserem Beispiel könnte der Auftrag ans System also etwa lauten: Achte darauf, wie sich die Rabatte im Vergleich zum rollierenden Durchschnitt der letzten drei Monate entwickeln.
Zeitanalyseelement für den Drei-Monats-Durchschnitt
Wie sich die Berechnungen in DeltaMaster umsetzen lassen, ist ausführlich in den DeltaMaster clicks! 07/2011 beschrieben; deshalb machen wir es hier kurz:
In der Periodenansichtsdimension („Time Utility“) legt man ein neues Zeitanalyseelement an (Modus Pivotizer, Analyzer oder Miner).
Dieses Element ist vom Berechnungstyp her eine Abfrage, die als gleitende Aggregation definiert ist. Dafür sind drei Parameter erforderlich: erstens die gewünschte Ebene der Zeithierarchie, zum Beispiel „Monat“; zweitens die Anzahl der Elemente, die einzubeziehen sind (Abstand); drittens die mathematische Funktion, mit der diese verarbeitet werden sollen, zum Beispiel Summe, Minimum, Maximum oder eben Mittelwert.
Als Referenzelement stellt man die Vorperiode ein. Dabei handelt es sich um ein weiteres, sehr häufig benötigtes Zeitanalyseelement, das den Wert der jeweils vorherigen Periode abfragt und zurückliefert. Die Vorperiode als Referenzelement bewirkt, dass die „aktuelle“ Periode – diejenige, die im Fenster Sicht ausgewählt ist – nicht selbst in den Durchschnitt eingeht. Ist beispielsweise der Juli als aktueller Monat ausgewählt, so ist die Vorperiode der Juni; mit diesem als Referenzelement berechnet DeltaMaster den gleitenden Drei-Monats-Mittelwert aus den Monaten April, Mai und Juni.
Wenn Sie DeltaMaster einen Namen für das Zeitanalyseelement vorschlagen lassen, beachten Sie: Im vorgeschlagenen Namen tauchen Variablen wie „{cp}“ oder „{pp1}“ auf, die bei der Anzeige im Bericht durch die konkreten Periodenbezeichnungen ersetzt werden – „{cp}“ etwa durch den Namen der aktuellen Periode („current period“), „{pp1}“ durch den Namen der vorherigen Periode („previous period“ mit einem Abstand von 1). Im Namensvorschlag ist die Verschiebung durch das Referenzelement jedoch nicht berücksichtigt. Wenn Sie also die Vorperiode zum Referenzelement machen, sollten Sie auch den Namen anpassen.
Zeitanalyseelement für die Abweichung vom Durchschnitt
Das Durchschnitts-Element kann unmittelbar für Auswertungen verwendet werden. In unserem Szenario wollten wir aber noch etwas mehr, nämlich die Abweichung zum Durchschnitt berechnen. Auch dies ist in den DeltaMaster clicks! 07/2011 erläutert, daher sei es hier wiederum nur kurz wiederholt:
Über den Dimensionsbrowser legen wir ein weiteres berechnetes Element an, dieses Mal kein Zeitanalyseelement, sondern ein „allgemeines“.
Dieses Element, das „Delta zum Durchschnitt“, berechnet die Differenz (Abweichung) zwischen dem aktuellen Wert und dem zuvor angelegten Durchschnitt. Diese Abweichung kann sowohl absolut als auch relativ (prozentual) sinnvoll sein. Meist kommt es besonders auf die absoluten Abweichungen an, weil diese zu den besonders wichtigen Treibern (Kunden, Produkten, Materialien usw.) führen; die relativen Abweichungen dienen dann eher zur Einordnung und Bewertung.
Die Sonderzeichen Delta und Durchschnitt lassen sich übrigens sehr einfach über eine Option im Kontextmenü einfügen, die in allen Eingabefeldern für Namen, Beschreibung, Anmerkungen und Ähnliches zur Verfügung steht, auch in anderen Dialogen.
Berechnete Elemente machen flexibel
Im Ergebnis stellen die berechneten Elemente zwei neue Merkmale dar, die sich sehr flexibel in Analysen und Berichten wieder- und weiterverwenden lassen. Insbesondere können sie sehr einfach mit anderen Dimensionen, Ebenen und Kennzahlen kombiniert werden.
In diesem Bericht beispielsweise sind in den Zeilen die Gebiete aus der Kundendimension wiedergegeben (statt Produktgruppen aus der Produktdimension). In den Spalten finden sich dieselben Elemente wie im bisherigen Beispiel – und sie erfüllen denselben Zweck: Sie decken schnell auf, wenn sich Objekte von ihrem bisherigen Verhalten entfernen. Die Auswertung kann sich durchaus über mehrere Hierarchieebenen erstrecken. Hier etwa ist auch das Aggregat „alle Kunden“ aufgenommen und einsortiert, sodass man zu den Einzelobjekten stets die Gesamtsicht parat hat. (Die Liste ist gefiltert, sodass Kleinbeträge nicht erscheinen; daher die geringfügige Abweichung der Summe.)
Auch in Bezug auf die Analysewerte sind die berechneten Elemente flexibel: Einmal angelegt, lassen sie sich auf alle Kennzahlen anwenden. Wenn man in unserem Beispiel etwa den Absatz heranzieht anstelle des Rabatts, erhält man die nebenstehende Darstellung (für eine andere Periode als in den bisherigen Beispielen, kleine Werte ausgefiltert). Deutlich zeichnet sich auch hier ein bedenklicher Einbruch ab.
Und auch zur Definition weiterer Kennzahlen lassen sich berechnete Elemente nutzen, etwa in Filterwerten. Diese werden über den Analysewert-Browser (Menü Modell) angelegt und können mit den zahlreichen Analyseverfahren von DeltaMaster untersucht werden. Wissenswertes zur Arbeit mit Filterwerten, zum Beispiel zur Wirkung der Filtertypen, ist in den DeltaMaster clicks! 03/2008 zusammengestellt.
Die oben als Pivottabelle ausgeführte Absatzanalyse ist hier mithilfe des Verfahrens Rangfolge umgesetzt. Das hat den Vorteil, dass die einzelnen Positionen nach Vorzeichen gruppiert nebeneinandergestellt werden, die „guten“ links, die „schlechten“ rechts. Tipps, wie man positive und negative Werte im selben Bericht vergleicht, finden Sie in den DeltaMaster clicks! 02/2015.
Mithilfe des Analyseverfahrens Small Multiples könnte man sogar mehrere Analysen für unterschiedliche Dimensionen bzw. Analysewerte zu einem Bericht zusammenfassen (siehe DeltaMaster clicks! 12/2012 und die darin genannten weiteren Verweise). Die zeitliche Ebene der Zeitanalyseelemente bleibt allerdings konstant. Wenn Sie zusätzlich zum Drei-Monats- auch einen Drei-Tages-Durchschnitt beobachten wollen, legen Sie ein weiteres Zeitanalyseelement für die Ebene der Tage an.
Push oder Pull?
Wenn es um Frühwarnung geht, wird oft der Wunsch nach einer automatischen Benachrichtigung geäußert: Sobald ein Schwellwert erreicht ist, möge eine E-Mail versandt werden, um die Verantwortlichen aufzurütteln.
Mit dem DeltaMaster Berichtsserver lassen sich solche Automatismen ohne Weiteres einrichten. Unter dem Stichwort „Exception Reporting“ beschreiben die DeltaMaster clicks! 11/2008, wie das geht – und nennen zugleich gute Gründe, auf Schwellwerte zu verzichten und stattdessen regelmäßig kompakt zu berichten.
Im „ABC der Management-Information“ haben wir unsere Kritik so auf den Punkt gebracht:
Genauso wenig können wir uns mit festen Schwellen anfreunden, die einen „Alert“ auslösen. Wie soll man den setzen? Wie groß ist der Aufwand dafür in einem weitverzweigten Netz, wie fein oder grob müssen diese Schwellen sein – auf Länder?, Regionen?, Sparten?, Produkt?, Branchen?, Kundenebene usw. Relativ oder absolut? Fragen über Fragen. Mitunter flüchtet man sich in Ampeln und weil man in beiden Richtungen vorsichtig ist, ist das meiste gelb. Klar kann man in DeltaMaster Schwellen setzen, für die seltenen Fälle, in denen vertragliche, qualitative oder technische Grenzen eine Eindeutigkeit zulassen. Große Fans sind wir aber immer davon, alles absteigend nach dem Wert zu ordnen, der fürs Unternehmen wichtig ist. Dann ist alles Wichtige automatisch im Blick, ganz ohne Schwelle.
Einen guten Bericht, inhaltlich durchdacht, optisch gut gestaltet, liest der sachkundige Leser doch gerne, nicht nur ausnahmsweise! Es gibt so viel darin zu entdecken, und das mit dem bloßem Auge – vorausgesetzt, es steht das richtige drin. Anregungen dazu und Tipps zur Implementierung: siehe oben.