Dürre in Deutschland – nun ein Dauerzustand? Dürren beeinflussen nicht nur Ernten, sondern schränken auch über niedrige Wasserstände die Energieversorgung ein. Wir untersuchen in DeltaMaster, welche Entwicklungen sich in den letzten Jahrzehnten beobachten lassen.
Dürre in Deutschland – welche Daten liegen vor?
Das UFZ (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH) stellt einen täglich aktualisierten Dürremonitor (mit einem leichten Nachlauf von zwei Tagen) zur Verfügung. Im vergangenen Monat August 2022 erschien die Deutschlandkarte für mehrere Wochen nahezu vollständig in einem bedrohlichen Dunkelrot, das für außergewöhnliche Dürre steht.
Da das UFZ monatliche historische Daten zum sogenannten Bodenfeuchteindex SMI (SMI = Soil Moisture Index) für Deutschland für den langen Zeitraum von 1951 bis 2021 und gleichzeitig in einer feinen räumlichen Zerlegung Deutschlands auf einem Gitter (4 km x 4 km) zur Verfügung stellt, wurde mein Interesse geweckt: Welche Analysen und Darstellungen sind mit diesen Daten in unserer Business-Intelligence-Software DeltaMaster möglich?
Diese Karte in der Geo-Analyse zeigt zum Beispiel für den trockenen Monat April 2014 den Anteil der Quadrate, die in einem größeren Quadrat (20 km x 20 km, also 25 kleine Quadrate, dazu später mehr) unter den SMI-Wert 0.20 fallen. Bei Werten ≤ 0.20 spricht das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung von Dürre.
Auf der Dürremonitor-Seite des UFZ lassen sich die Voraussetzungen und Annahmen in aller Ausführlichkeit nachlesen; hier sollen nun nur die wichtigsten Punkte zusammengefasst werden.
Das UFZ verwendet die in hoher Taktrate eintreffenden Daten der ca. 2500 Wetterstationen in Deutschland – zum Beispiel Niederschlagsmengen und Temperaturen – und rechnet diese auf das 4×4-Raster um.
Verwendete Begriffe und Definitionen
Während Regenmenge und Temperatur nur mittelbare Indikatoren für den Zustand der Böden beispielsweise im Agrarsektor darstellen, hätte man mit der Bodenfeuchte ein Maß, das unmittelbar auf den Pflanzenwuchs einwirkt. Die direkte Messung der Bodenfeuchte in der notwendigen räumlichen Dichte und Häufigkeit ist nun aber zu teuer und logistisch zu aufwändig.
Deshalb wird ein komplexes Modell (“mesoskaliges hydrologisches Modell mHM”) auf die Wetterdaten angesetzt, das unter Berücksichtigung der geographischen Verhältnisse, Bodenbeschaffenheit, Flussverläufe und vielem mehr die Bodenfeuchte schätzt.
In Regionen mit viel Niederschlag ist die Bodenfeuchte eher höher und im Winter ist sie in Deutschland ausgeprägter als im Sommer. Die Bodenfeuchte ist somit ein absolutes Maß.
Um nun die absoluten Bodenfeuchte-Werte auch zwischen Regionen und für unterschiedliche Monate vergleichen zu können, werden sie standardisiert. Dazu werden sie für ein gegebenes Quadrat mit den 65 Werten des Zeitraums 1951 bis 2015 nur dieser Region (= Quadrat) und nur dieses Kalendermonats verglichen. Ein Quantilsschätzer wird berechnet, der SMI (Soil Moisture Index oder Bodenfeuchteindex). Dieser Wert liegt nun zwischen 0 (besonders trocken) und 1 (besonders feucht).
Ein Wert von zum Beispiel 0.20 im April 2014 besagt dann, dass in diesem Quadrat und im April in den 65 Jahren ca. 1/5 = 13 Monate so trocken oder noch trockener waren.
Bemerkung: Dieses Konzept, einen aktuellen Wert mit einer Referenzmenge zu vergleichen, weist eine gewisse Analogie zum Ansatz der Wetterzelle in DeltaMaster auf – auch hier wird mit den letzten 12 Monaten verglichen, um den aktuellen Wert besser einschätzen zu können.
Das heißt aber auch, dass in üblicherweise sehr feuchten Gegenden ein SMI von 0.20 immer noch mehr absolute Bodenfeuchte bedeuten kann als ein SMI = 0.80 in grundsätzlich sehr trockenen Gegenden.
SMI-Index
Wenn somit in den gezeigten Karten ein Quadrat ein dunkleres Rot aufweist, dann ist damit gesagt, dass es für hiesige Verhältnisse in diesem Monat extrem trocken ist, aber nicht, dass es hier absolut trockener ist als in einem Quadrat mit hellerer Tönung.
Der SMI-Index wird nun sowohl für den Oberboden (bis 25 cm Tiefe) ermittelt, als auch für den Gesamtboden (bis ca. 1.80 m Tiefe). Der Oberboden erholt sich bei einer Dürre nach Regenfällen schneller als die tieferen Schichten des Gesamtbodens.
Es werden beim UFZ nun 5 Klassen gebildet, mit denen sich die Dürre in Deutschland leichter beschreiben lässt:
- 0.20 < SMI ≤ 0.30: ungewöhnliche Trockenheit
- 0.10 < SMI ≤ 0.20: moderate Dürre
- 0.05 < SMI ≤ 0.10: schwere Dürre
- 0.02 < SMI ≤ 0.05: extreme Dürre
- SMI ≤ 0.02: außergewöhnliche Dürre
Wir konzentrieren uns auf den Gesamtboden.
Dürre in Deutschland: Kartenmaterial
Die Daten sind beim UFZ im eher unüblichen netCDF-Format gegeben, das bei Klimadaten und auch in der Bioinformatik eingesetzt wird, aber mir bisher bei betriebswirtschaftlichen Anwendungen noch nicht begegnet ist. Mit Hilfe des R-Packages ncdf4 habe ich die Daten in eine brauchbare Form gebracht. Die Webseite netCDF in R von Pat Bartlein hat dabei geholfen, mit den netCDF-Dateien (hoffentlich!) korrekt umzugehen.
Die SMI-Daten des Gesamtbodens sind für Gitterpunkte gegeben, die in waagerechter bzw. senkrechter Richtung jeweils 4 km Abstand besitzen.
Um die Geo-Analyse in DeltaMaster zu nutzen, war ich so frei, diese Punkte mit quadratähnlichen Flächen zu umgeben, die die Gitterpunkte als Mittelpunkte besitzen. Diese Flächen waren somit im Originaldatensatz nicht vorhanden. Mittels des R-Pakets “shapefiles” habe ich dann ein Shapefile erstellt, das in DeltaMaster angebunden werden kann.
Das Raster hat zunächst eine Ausdehnung von 225*175, 225 in Nord-Süd-Richtung und 175 in West-Ost-Richtung. Von diesen 225*175 = 39375 Gitterpunkten liegen 23199 innerhalb der deutschen Grenzen. Nur die zugehörigen Quadrate wurden in das Shapefile aufgenommen.
Auf einem großen Monitor mit sehr hoher Auflösung lässt sich diese Detailliertheit unmittelbar genießen:
Um nun auch auf meinem normalgroßen Monitor die Karten gut sehen zu können, habe ich im Datenmodell Elemente einer Zwischenebene erzeugt, die jeweils 5 x 5 kleine Quadrate ohne Überlappungen zusammenfassen. Die bereits anfangs sichtbare Karte wird dann von DeltaMaster beim Anlegen eines Geo-Analyse-Berichts auf der Zwischenebene automatisch erzeugt, wenn in Modellieren im Geo-Mappings-Reiter die folgende Checkbox-Option aktiviert wird:
Natürlich können Sie in dieser Karte in beliebig gewählte Regionen hineinzoomen.
Verknüpfungen in der Geo-Analyse
Zwar könnte man auch in der hochauflösenden Karte einen Kartendienst hinzufügen, beispielsweise Google, aber die Karte wirkt dann leicht unsauber durch die durchscheinenden Elemente und das Rot wirkt weniger warnend. Deshalb bietet sich eine Verknüpfung von der Karte mit der gröberen Auflösung und ohne Kartendienst auf eine weitere Geo-Analyse mit hoher Auflösung und eingeblendetem Kartendienst an.
Dann lässt sich mit Strg + Rechtsklick eine 5×5-Kachel wählen und in der zweiten Karte vergrößert und mit Kartendienst anzeigen:
Bei diesem Beispiel verdeutlichen wir mit einem dunklen Rot, dass in der Fläche eine Dürresituation (SMI ≤ 0.20) vorgelegen hat.
Möchte man es bei einer einzigen, weniger detaillierten Karte belassen, können wir durch den Zoom jederzeit in die höhere Auflösung wechseln. Den Kartendienst müssen wir dabei entweder durchgehend aktivieren oder durchgehend ausschalten.
Dürrevisualisierung in ausgewählten Zeilen oder Spalten
Weiterhin habe ich die gröberen Quadrate (20 km x 20 km) durch Zeilen- bzw. Spaltenkoordinaten ansteuerbar gemacht, sodass man sich auf ein ausgewähltes Gebiet konzentrieren kann:
Analysen zur Dürre in Deutschland
Der folgende Multiples-Bericht zeigt die Konstellation in den Monaten April bis August für die beiden Jahre 2014 und 2015:
Hierbei haben wir den 5 oben erwähnten Dürreklassen mit ansteigender Trockenheit in einem eigens angelegten Analysewert “Class” die Werte 0.1, 0.2, 0.5, 0.8 und 1 zugeordnet. Bei abwesender Dürre (SMI > 0.3) haben wir einen leicht negativen Wert -0.0001 vergeben, um eine helle blaue Tönung zu erreichen.
Damit die Farbtöne in sämtlichen 10 Geo-Analysen gleiche Bedeutung erhalten, bin ich so vorgegangen, wie ich es ausführlicher im Beitrag Stromerzeugung in Deutschland beschrieben habe. Der Wertebereich für Grafikachsen wird an die aufgezählten Werte angepasst und geht von -0.0001 bis 1:
Die Option bewirkt, dass für die 5 (bzw. 6) Klassen immer die gleichen Farbtöne verwendet werden und zum Beispiel auch im April 2015 das dunkelste Feld mit schwerer Dürre (Class auf 0.5) weiterhin nur als mittelstarker Rot-Ton und nicht als Dunkelrot erscheint.
Während 2014 der Schwerpunkt der Dürre eher im April zu finden ist, hat sich im folgenden Jahr die Dürre in Deutschland vor allem in den Sommermonaten gezeigt. Auch sieht man klar, dass im Juni 2014 andere Gebiete betroffen waren als im Juni 2015.
Diese Konstellation der gewählten Monate zeigt auch der im in Anhang erwähnte Artikel “The German drought monitor”.
Entwicklung in den letzten Jahren
Der Normierungszeitraum zur relativen Einordnung der Bodenfeuchtewerte umfasst wie erwähnt 65 Jahre und geht von 1951 bis 2015. Würde man pro Kachel durchschnittliche SMI-Werte auf dem gesamten Referenzzeitraum berechnen, so sollten sich diese dicht bei 0.5 befinden. SMI-Durchschnittswerte auf dem gesamten Referenzzeitraum sind somit unauffällig und würden in der Klassendarstellung eine komplett hellblaue Karte ergeben.
Schauen wir einmal auf die Sommermonate Juli und August in den letzten 5 Jahren 2017 bis 2021 und untersuchen, wie sich diese im Vergleich verhalten.
Vor allem in den drei aufeinanderfolgenden Jahren 2018, 2019 und 2020 hatten große Teile Deutschlands mit außergewöhnlicher Dürre zu kämpfen.
Aggregierte Betrachtungen der Dürre in Deutschland
Das UFZ spricht explizit von Dürre, wenn der SMI unter 0.2 fällt. Für einen gegebenen Monat lässt sich nun zum Beispiel berechnen, wie viele der 23199 Quadrate Dürre (SMI ≤ 0.20) oder sogar außergewöhnliche Dürre (SMI ≤ 0.02) aufweisen. Die folgende Zeitreihengrafik zeigt den Anteil der Dürre-Quadrate im Zeitverlauf für den August:
Die oben schon auffälligen Jahre 2018, 2019 und 2020 weisen die höchsten drei Werte auf. Nur 1976 hatte der Dürre-Anteil im August ebenfalls die 80-Prozent-Marke überschritten. Schätzen wir einmal die Wahrscheinlichkeit, diese Marke zu übertreffen, überschlägig mit 4/71: Dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, in genau diesen drei Jahren in Folge die Grenze zu übertreffen, ca. 0.18 Promille.
Bei Annahme unabhängiger Ergebnisse von Jahr zu Jahr kann man so vorgehen wie in meinem Artikel Serien mit Folgen. Über Markov-Ketten lässt sich die Wahrscheinlichkeit, irgendwann in den 71 Jahren mindestens 3 Jahre in Folge einen hohen Wert über der Grenze zu beobachten, mit etwa 1.2 Prozent schätzen. 3 Jahre in Folge über der Grenze sind somit selten. Dabei hatten wir ja bereits die 3 trockenen Dürrejahre 2018, 2019 und 2020 zur Bildung des naiven Schätzers 4/71 herangezogen.
In meinem Forschungsblog-Beitrag Extremwerte – Grenzerfahrungen hatte ich die Vorgehensweise beschrieben, Aussagen über die Wahrscheinlichkeiten noch nie aufgetretener Ereignisse abzuleiten. Dann könnte auch der Fall behandelt werden, in dem Deutschland beispielsweise zu 99 Prozent von Dürre betroffen ist – hier würde der naive Schätzer versagen.
Im aktuellen Jahr 2022 liegen die durchschnittlichen Monatswerte noch nicht vor, aber im 14-tägigen Zeitraum vom 7.8. bis zum 20.8.2022 war der Durchschnittswert 95.75 %, also noch höher als der bisherige Rekordwert von 2018. Die vier höchsten Werte wurden allesamt in den letzten 5 Jahren erzielt, sodass ich diesen Sachverhalt schon als sehr auffällig bezeichnen muss!
Außergewöhnliche Dürre in Deutschland
Setzen wir die Grenze noch tiefer an: SMI ≤ 0.02. Wir betrachten somit außergewöhnliche Dürre.
Wieder fallen die gleichen Jahre auf. Diesmal weist 2018 den höchsten Wert auf, aber die 29.7 % Anteil sind nichts gegen den Wert, der sich 2022 anbahnt: Der 14-tägige Zeitraum im August liegt im Schnitt bei einem Anteil von 46.46 %, also noch einmal deutlich höher.
Besonders betroffene Gebiete
Nun versuchen wir herauszufinden, welche Gebiete in Deutschland in den letzten Jahren besonders betroffen sind und betrachten die 60 Monate der Jahre 2017 bis 2021. Der Anteil der Monate mit außergewöhnlicher Dürre ist links in der Grafischen Tabelle gegeben (Top 20). Durch die Crossfilterung (Strg + linker Mausklick) zoomt sich die Geo-Analyse rechts auf die betroffene Kachel:
Mit 70 % und somit 42 von 60 möglichen Monaten liegt das Gebiet um den Forst Grunewald im Bereich außergewöhnlicher Dürre. Bei Kenntnis dieser Werte überrascht es nicht, dass Anfang August 2022 der Grunewald durch ein großes Feuer in die Schlagzeilen geriet, siehe zum Beispiel der Artikel in der Zeit.
Beim zweiten Rang geht es um die Region um Emmerstedt. Auch hier tauchen Zeitungsberichte über extreme Trockenheit mit alarmierender Regelmäßigkeit auf.
Fazit
Die Daten und eingesetzten Modelle des UFZ sind sehr gut geeignet, besonders von Dürre betroffene Gebiete zu finden und die langfristigen Auswirkungen zu belegen. Cooler Ansatz des UFZ, Dürre in Deutschland zu untersuchen – ich mag ihn!
Es liegt allgemein nahe, bei der Analyse vor allem Multiples mit Crossfilterung einzusetzen, um zu einer ausgewählten Kachel detaillierte historische Werte sehen zu können. Verknüpfungen sind ebenfalls gut für die Anzeige von Details geeignet.
Mit etwas mehr Aufwand lassen sich auch zusammenhängende, größere Regionen identifizieren und anzeigen, die von länger anhaltender Dürre betroffen sind.
Der Dürremonitor hat einen Verzug von zwei Tagen – für automatisch auf den letzten vorhandenen Tag eingestellte Berichte bietet sich der Einsatz von “Today” an. Lesen Sie hierzu den Blog-Beitrag Aktuelle Berichte mit Today.
Quellen
Die SMI-Daten des Dürremonitors werden vom UFZ (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH) zur Verfügung gestellt. Die Datei “269200_SMI_SM_Lall_Gesamtboden_monatlich_1951-01_2021-12_inv.nc” wurde am 16.8.2022 heruntergeladen (interner Stand 11.8.2022).
Hilfreich ist der Artikel über den Dürremonitor: The German drought monitor, Matthias Zink et al, Environ. Res. Lett. Volume 11, Number 7, 2016, DOI
Für die Verarbeitung mit R wurden die Packages ncdf4 und shapefiles verwendet. Anhand der Webseite netCDF in R von Pat Bartlein habe ich mich orientiert, wie mit den netCDF-Daten umzugehen ist.
Für die Korrektheit der gezeigten Werte kann keine Gewähr übernommen werden.