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Gütemaß Datendichte: Werte pro Seite

Das nächste Maß, um die Güte unserer Berichte messen zu können, stellt uns vor ein Paradoxon: Zahlenfriedhöfe sind gut. Es ist nämlich eine Frage des Designs und nicht der Datenmenge, wie viele Werte pro Seite wir verkraften.

Mich hat unlängst die Frage beschäftigt, welche Unternehmen infolge gesunkener Marktkapitalisierung in die Gefahr einer feindlichen Übernahme geraten. Ich hatte eine Ausgabe der FAZ zur Hand und vertiefte mich in den Kursteil. Wie immer war ich begeistert, welche Informationsdichte auf Papier möglich ist.

Bella untersucht die Datendichte in 14 Tageszeitungen aus der ganzen Welt.
Bella zählt Informationsdichte auf Papier aus: im Kursteil von Tageszeitungen zwischen knapp 200 und 4.000 Werte/Informationseinheiten pro Seite DIN A4.

Innerhalb der Augenspanne konnte ich die Marktkapitalisierung (Kurswert x Anzahl der Aktien) über Unternehmen, Marktsegmente, Länder vergleichen. Da ich inzwischen einsehe, dass ich mein Lesevermögen nicht durch Verändern des Schriftgrads, sondern durch Verwenden einer Lesebrille aufrecht erhalten muss, fand ich die Lektüre weitaus weniger mühsam, als es die Abfrage über eines der Finanzportale im Internet gewesen wäre.

Auf die Idee, nicht nur zwischen Unternehmen, sondern auch zwischen Ländern zu vergleichen, kam ich erst bei der Lektüre. Weil es möglich war. Übertragen auf das Managementreporting erkenne ich daraus: Gutes Berichtsdesign ist nicht geschlossen, sondern offen. Es beantwortet nicht nur die vereinbarten Fragen, sondern auch neue, zu denen es den Leser gerade inspiriert hat. (Natürlich vermisste ich eine Historisierung der Werte. Sei’s drum. Irgendwann wird es auch in Zeitungen Sparklines geben.)

Halt! Soll das etwa heißen, je mehr Zahlen, desto besser, weil dann die Anzahl möglicher Antworten steigt? Genau. Und damit sind wir bei dem erwähnten Paradoxon. Jeder, der ein zeitgemäßes Berichtswesen entwickelt, wird sich zunächst gegen die sprichwörtlichen Zahlenfriedhöfe verwehren. Und dennoch wird er Berichte wollen, die uns sagen: Wo stehen wir heute, wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Sind erst einmal alle Spalten für Ist, Vorjahr, Plan, Abweichung, Kumulation, Hochrechnung sowie alle Zeilen für Produkte, Organisationseinheiten, Regionen versammelt, so reiben wir uns die Augen. Viele, viele Zahlen auf einer Seite. Alle wichtig, relevant, unverzichtbar. Wenn wir anschließend die Werte, wie es sich gehört, mit Hilfe von Sparklines historisieren und die resultierende Datendichte messen, so stellen wir fest: Wir ziehen gleich mit den Verhältnissen, die Bella für die Kursteile in den Tageszeitungen ermittelt hat.

Datendichte im Vergleich: Neue Zürcher Zeitung, Handelsblatt, Süddeutsche, Nürnberger Nachrichten, FAZ, Financial Times Deutschland, Börsen Zeitung, NZ, Die Welt, El Mundo, El País, Le Monde, Le Figaro, Financial Times Europe, The Wall Street Journal.
So dicht sind die Börsenseiten in Tageszeitungen – Zahlenfriedhöfe oder Messlatte für Managementberichte? Bei gutem Design: Messlatte. (Alle Ausgaben vom 07.07.2009.)

Das ist faszinierend, denn die Gestaltung erinnert an das Listenreporting aus Großrechnertagen. Das galt bis dato nicht als Ideal moderner Entscheidungs­unterstützung. Falsch! An den grün-weiß gestreiften Zahlenfriedhöfen auf Endlospapier müssen wir uns durchaus messen lassen. Die Listen waren ungefiltert. Was wir an Zahlen haben, stand da. Filtern war Aufgabe der Entscheider. Was sie ignorieren wollten, ließen sie selbst weg. Berichte hatten den Charakter eines Nachschlagewerks.

Noch heute erwartet man in Konzernen, dass die Geschäftsführer überschaubarer Tochtergesellschaften, jedes Angebot, jeden Auftrag, jede Verpflichtung, jeden Arbeitsvertrag kennen und nicht aufs Monatsreporting warten, um drohende Schieflagen zu erkennen. Sie müssen die Daten ungefiltert und unverdichtet kennen.

Ziel des Berichtsdesigns ist für mich daher nicht die Datenmenge zu reduzieren, sondern Gestaltungsmittel einzusetzen, die große Datenmengen auf engem Raum lesbar machen. Diese sind mit Grafischen Tabellen und Sparklines bereits gefunden.

Für unsere Suche nach Gütemaßen dürfen wir daraus schlussfolgern, dass wir in Grafischen Tabellen tatsächlich einfach Werte auszählen dürfen, um ihre Güte näherungsweise zu bestimmen. Lang lebe der Zahlenfriedhof 2.0.

Nicolas Bissantz

Diagramme im Management

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