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Symptogramme II

Noch mal Symptogramme. Letztes Mal: Ursache und Wirkung nur per Text, ganz ohne Diagramm. Heute: Wirkung im Diagramm, Ursache im Text. Und zwar im rechten Maß: viele Worte, mäßig viele Zahlen, wenig Diagramm.

Apple behält bekanntlich 30 Cent jedes Dollars, der im AppStore umgesetzt wird. Auch von Zeitungen und Magazinen für deren Ausgaben auf dem iPad. Das scheint Wettbewerber veranlasst zu haben, den gleichen Service weitaus günstiger anzubieten. Google verlangt für Medienangebote auf dem konkurrierenden System Android nur 10 Prozent. Das wiederum könnte der Grund dafür sein, dass Android vom dritten auf das vierte Quartal 2010 deutliche Marktanteilsgewinne verbuchen konnte und die monopolartige Stellung von Apple beeinträchtigt ist.

Apple is risking app-lash on the iPad. - Quelle: Wall Street Journal, 18.02.2011, Seite 32.
Etwas mehr als drei Spalten Text, etwas weniger als eine Spalte Diagramm, 445 Wörter, 8 Zahlen. Und viel gelernt über ein Thema, das kürzer und anders nur schlechter zu verstehen gewesen wäre. Quelle: Wall Street Journal, 18.02.2011, Seite 32.

Diese ziemlich spannende, aber nicht ganz unkomplizierte Geschichte passt nicht in ein Diagramm. Ein Diagramm kann bestenfalls die Symptome beschreiben. So ist es auch im obigen Artikel aus dem Wall Street Journal. Seine Lektüre ist äußerst lohnenswert. Ich überlegte: Könnte der Artikel auch für interne Berichte als Vorbild dienen? Sein Verhältnis von Zahl, Grafik und Text zur Beleuchtung eines ausgewählten Marktgeschehens das rechte sein? Den Fan grafischer Darstellungen mag diese Überlegung überraschen. Schließlich wäre sie ein Plädoyer für viel Text und wenig Grafik. Auch im Unternehmensreporting. Doch gemach.

Wäre man mit weniger Text ausgekommen? Zum Beispiel eingedenk unseres Lobes der Überschrift? Etwa so: „Google verlangt 10 Prozent, wo Apple 30 will. Android legt zu, iPad verliert.“ Ich weiß nicht. Ziemlich lang. Man muss den Zusammenhang zwischen Google und Android kennen. Und der Dreh zur Strategie fehlt. Vielleicht will es jemand anders probieren. Ich finde, die 30 Prozent, die 10 Prozent, iPad, Google und Android und eigentlich auch AppStore gehören hinein. Davon ab: Um diese Überschrift wäre es schade gewesen. Das „Risking“ ist konnotationsreich und lässt uns erkennen, dass der Autor Apples Strategie zwar für gewagt hält, aber für bewusst gewählt. Und „App-lash“ ist wohl ein Wortspiel aus „backlash“ oder „whiplash“, also „Rückgang“ oder „Schleudertrauma“, und „App“.

Hätte man der Stapelgrafik mehr Inhalt mitgeben und damit Text sparen können? Stapelgrafiken sind in diesem Blog schon mal unter die Räder gekommen. Diese hier ist aber ganz hübsch und profitiert ungemein von der großen Anteilsverschiebung zwischen zwei von nur drei Elementen. Aus wenig Grün wird plötzlich viel, die fast vollständige Füllung mit Blau geht drastisch zurück. Eine sonnenklare Botschaft. Andererseits vermisst man auf den zweiten Blick die genauen Zahlen, die es erst im Text zu suchen gilt und die bei Stapelgrafiken bekanntlich nicht immer leicht zu integrieren sind. Ich stellte daher Versuche mit automatisierbaren und deswegen von uns heiß geliebten Grafischen Tabellen an.

Squeezed: Share of global tablet shipments. - Quelle: Wall Street Journal, 18.02.2011, Seite 32.

Stapelgrafik entstapelt mit Grafischen Tabellen. Links: original, Mitte: vollautomatisch, rechts: nachgepixelt. Wie üblich sind Beschriftung und Ablesbarkeit jetzt kein Problem mehr. Über Farbe muss man streiten. Hier macht sie das Drama deutlicher.

Ja, ich finde, sie stünden dem Zeitungsartikel ebenso gut, wie sie dem Unternehmensreporting stehen. Aber das ändert nichts an der passenden Textmenge drumherum.

Im ersten Beitrag zu Symptogrammen haben wir bereits gelernt, dass es mit der Darstellung von Wirkung nicht getan ist, Diagramme aber kaum mehr leisten können und wir deswegen ohne Text, der Kontext und Ursache liefert, schwerlich auskommen. Heute sehen wir, dass das rechte Verhältnis zwischen Text und Diagramm, egal woran wir es messen, vermutlich sehr textbetont ausfallen wird. In Zeitungen und überall, wo man eine kritische Leserschaft erwartet, ist das nichts Neues – siehe ebenda und die Geschäftsberichte aller Dax-Unternehmen. Im unternehmensinternen Reporting begegnet einem textbetontes Berichten selten. Es ist wieder Zeit dafür.

Nicolas Bissantz

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