Einer der aktuellen Trends im Business Intelligence soll Self-Service BI sein. Das hoffe ich nicht. Es wäre vor allem eine Kapitulation des Controllings, der IT und der Führung vor Business Intelligence. Wie viel Do-it-yourself verträgt Business Intelligence?
Der Zeitschrift CIO verleihe ich ein rotes Teufelshorn. Schreibt die doch glatt als Einleitung zu ihrer Trendprognose: „Business Intelligence orientiert sich im kommenden Jahr stärker am Nutzer – und immer weniger an der IT.“ Ob die noch Abonnenten haben, die CIOs sind? Auf der IAA jedenfalls werde ich Ausschau halten nach Plakaten, auf denen steht: „Der neue Raserati 420 D – gemacht für den Fahrer, nicht für die Werkstatt“. Dass Self-Service BI ein wichtiger Trend im Business Intelligence sei, liest man regelmäßig. Die Anwender seien es leid, auf die IT zu warten, und wollen jetzt mehr selbst machen, sagen sinngemäß die IT-Marktforscher von Forrester.
Self-Service am Notausgang: Verständlich, wenn hier niemand auf einen Techniker warten will.
Bei Self-Service denke ich an die Pappschachteln in den Aldi-Regalen, an leere Boxen für Einmalhandschuhe beim Tanken von Diesel, an schrumpfende Bankfilialnetze, an Check-in-Automaten – also an Rationalisierung auf Kosten von Kundennähe.
Ist Self-Service BI die Neuauflage von Excel-Wildwuchs?
Für das Phänomen, dass die Anwender nicht gerne auf die IT warten, haben Fachleute seit einiger Zeit ein Wort: Anwendungsstau. Es beschreibt den in vielen Unternehmen anzutreffenden Sachverhalt, dass die IT nicht die Kapazität hat, alle Wünsche zu erfüllen. Tatsächlich hat sich daraus ein Trend begründet; das ist aber schon eine Weile her. Controller laden sich SAP-Daten in Textdateien, importieren sie in Excel, ergänzen sie händisch um Korrekturen und schaffen ein Daten-Paralleluniversum. Eine nicht völlig abwegige Idee des Business Intelligence ist deswegen, diesen Daten-, Berichts- und Kennzahlendschungel durch einheitliche, zentrale Daten- und Berichtsstrukturen zu ersetzen.
Ist Self-Service BI die Kapitulation des Controllings?
Wen muss man sich als Nutzer von Self-Service BI vorstellen? Controller können es nicht sein: Dann hieße das „Fachanwendung“ und als Trend zu feiern, dass man zur Bedienung einer Fachanwendung keine IT braucht, wäre Marketing-Blabla und peinlich. Es müssen wohl Fachanwender gemeint sein aus anderen Abteilungen, die weder von der IT noch vom Controlling mit den Informationen versorgt werden, die sie brauchen. Vielleicht ist das noch nicht die Kapitulation des Controllings, bemerkenswert ist es aber.
Wenn Self-Service BI heißen würde, aus einem reichen Informationsangebot selbst wählen zu können, wäre das gut. Heißt es aber nicht. Gemeint ist vor allem: selbst. Weniger gut.
Ist Self-Service BI die Kapitulation der Führung?
Wenn weder IT noch Controlling noch spezialisierte Stäbe die nötigen Informationen bereitstellen und Fachanwender selbst Datenmodelle bauen und analysieren, welches Führungsmodell muss dann einem Self-Service BI zugrunde liegen? Anarchie, würde ich sagen. Welche Analysen werden da angestellt und welche Entscheidungen werden da von wem getroffen? Nun, der Vertriebsleiter könnte einen Assistenten beauftragen, eine Kundenwertanalyse durchzuführen und die Vertriebsaktivitäten danach auszurichten. Solange der Vertriebsleiter ausreichend Erfolg mit seiner Methodik hat, wird er seine Macht mehren und Angriffe aus dem Controlling wegen mangelnder Abstimmung von Berichtsstrukturen parieren können. Bleibt der Erfolg aus, zeigt sich die ganze Schwäche der Führung. Ein Management soll jetzt eingreifen, ohne Macht und Kenntnis über die Informationsstrukturen im Vertrieb. IT und Controlling winken ab, auch für sie ist das Data Mart des Vertriebs eine Terra Incognita.
Ist Self-Service BI unreifes Business Intelligence?
Ja, ist es. Wenn weder IT noch Controlling noch Stäbe die zum Arbeiten nötigen Informationen liefern und Fachkräfte zu eigener Datenmodellierung und -analyse nötigen, dann ist die Führung nicht datengestützt oder datengetrieben, sondern ausgesprochen datenfern. Mit viel Glück findet sich eine Fachkraft mit visionärer Kraft, wird zum Stabschef Business Intelligence und kann aus den Notwehrmaßnahmen von einst die zukünftige BI-Strategie machen. Self-Service BI ist dann die Phase der Unreife und des Probierens auf dem Weg zur Meisterschaft, also die Pubertät des BI.
Ist Self-Service BI also Problem oder Lösung?
Mehr Problem als Lösung. Und das erst auf den zweiten Blick. Was ist verkehrt, wenn die IT entlastet wird, Software so bedienungsfreundlich wie möglich ist und Mitarbeiter die Möglichkeit haben, kluge Fragen selbst zu stellen? Erstens: Wenn die IT nicht mit der Datenversorgung Schritt halten und sie in geordnete Bahnen lenken kann, dann ist sie dem Tod geweiht. Sie wird über kurz oder lang auf die Bedeutung eines Helpdesks reduziert. Self-Service BI ist daher ein ernstes Warnsignal hinsichtlich der Ausrichtung der Unternehmens-IT. Zweitens: Business Intelligence ist eine Hilfsfunktion der Führung – weder Statussymbol noch Job Enrichment. Business Intelligence ist Entscheidung und Disposition von Ressourcen. Die Regeln dafür werden nicht anarchisch am besten gefunden, sondern sie müssen das Führungskonzept der Geschäftsleitung spiegeln, transportieren und durchsetzen.
Wenn mit Self-Service BI solche Business-Intelligence-Software gemeint ist, die Mitarbeiter von betriebswirtschaftlich denkenden Stäben in die Lage versetzt, ihre Arbeit zu tun, dann bin ich dafür und nenne das: Business-Intelligence-Software.