Farben machen die Welt bunt und fröhlich, sie erfreuen das Auge und unser Gemüt, sie stützen die Erinnerung und erhöhen die Aufmerksamkeit. Das Gehirn nimmt sie getrennt von Form und Bewegung wahr, ultraschnell und parallel. Warum im Controlling weniger Farbe trotzdem mehr ist – Teil III unserer Serie zum Neurocontrolling.
Den letzten verregneten Sonntag verbrachte ich im Museum Wiesbaden. Seit Mai 2013 werden die naturhistorischen Sammlungen dort unter dem Titel „Ästhetik der Natur“ mit neuem Konzept präsentiert. Ich war fasziniert und zu unserer Reihe über Neurocontrolling hier passte das Gesehene auch gleich noch: Die aktuelle Ausstellung in Wiesbaden dreht sich um Farben.
Farben fesseln das Auge. Muss und darf Controlling so bunt und fröhlich wie die Welt sein oder wäre das des Guten zu viel?
Farben faszinieren. Am meisten vielleicht Grün. Ohne die grünen Blätter der Pflanzen gäbe es auf der Erde kein Leben, denn nur grüne Pflanzen enthalten Chlorophyll. Dieser grüne Blattfarbstoff ist Voraussetzung für die Photosynthese. Aus Wasser aus dem Boden und Kohlendioxid aus der Luft wird unter Sonnenlicht energiereicher Traubenzucker hergestellt und Sauerstoff an die Luft abgegeben.
Mit den Farben ihrer Umgebung tarnen sich Jäger und Gejagte voreinander. Ihr Fell oder ihre Haut sehen aus wie Erde, Steine, Sand, Schnee, Gras, Bäume oder Moos. Streifen und Flecken lösen ihre Konturen im Lichtspiel der Seen, Meere oder Wälder auf. Aber Farben tarnen nicht nur, sie warnen auch: vor Gift, Stacheln, Ungenießbarkeit. Besonders verbreitet sind Kontraste von Schwarz mit Rot und Gelb. Die gefährliche Korallenotter warnt mit beiden Kombinationen. Drei Viertel der Tiere, die vor sich warnen, sind übrigens harmlos. Auch nutzt das Warnen mehr der Art als dem Individuum. Gefährlichkeit muss durch schlechte Erfahrung erlernt werden.
Warnt gleich mit beiden starken Warnfarbenkombinationen, Rot-Schwarz und Schwarz-Gelb: die giftige Korallenotter.
Dem Menschen bescherte es große Evolutionsvorteile, dass er Farben sehen kann. Als Sammler und Jäger fand er die roten Beeren im grünen Blattwerk und konnte reife von unreifen Früchten unterscheiden. Farbe stützt auch die Erinnerung, bunte Bilder prägen sich besser ein als schwarz-weiße Bilder. Das hilft bei der Orientierung und Wegfindung. Bewegte Objekte wiederum lassen sich schneller und genauer erkennen, wenn sie farbig sind. Das hilft bei der Jagd und dabei, nicht selbst zur Beute zu werden.
Wie nun helfen Farben bei Erinnerung, Orientierung, Erkennung im Controlling? Wie warnt man richtig damit? Ich meine, es gelten folgende Regeln:
Farben machen froh, nur zwei davon ebenso
Meine wichtigste Empfehlung ist, sparsam mit Farben umzugehen. Schwarz-weiß und Grau allein halte ich für nicht ausreichend. Da man allen Grund hat, betriebswirtschaftliche Daten einzufärben, kommt von ganz allein Farbe in Controllingberichte – nämlich, indem man Gewinnmehrungen in einer Farbe, Gewinnminderungen in einer anderen Farbe zeichnet. Damit löst man auch das gängige Problem, auf einen Blick eine Kostenabweichung richtig zu deuten. Ohne Farbe muss man wissen, ob Kosten mit negativem oder positivem Vorzeichen geschrieben werden, ansonsten kann -1.000 beides bedeuten: mehr oder weniger Kosten.
Farblose Controllingberichte verpassen wichtige Chancen: Farben signalisieren und emotionalisieren.
Für die Farbwahl kommen einem zwei Konventionen in den Sinn: Kaufleute malen Verluste traditionell rot. Grün gilt vielen als Kennzeichen für etwas Gutes. Mit dem Rot bin ich einverstanden. Statt Grün jedoch schlage ich Blau vor.
Betriebswirtschaftlich codieren mit Ampelrot und Ampelgrün? Nicht ganz.
Vergleichen Sie selbst: Rot und Grün kontrastieren unangenehm. Das hat physiologische Gründe. Die Farbrezeptoren für Rot und Grün liegen eng beisammen. Die für Rot und Blau hingegen liegen weiter auseinander. Das, so erklärt die Neurobiologie, macht Rot-Blau-Kombinationen angenehmer lesbar und robuster gegen die Einschränkungen, die eine mehr oder weniger starke Rot-Grün-Sehschwäche mit sich bringt.
Blau und Rot für Gut und Schlecht: Viel schöner und besser lesbar und das aus physiologischen Gründen.
Nur die Not ist rot – Controlling und CI
Nationalflaggen, Familienwappen, Vereinsabzeichen, Logos, Tätowierungen: Die meiste Zeit seiner Evolution war der Mensch Mitglied eines Stamms und trug dessen Farben mit Stolz. Inzwischen sucht man sich seinen Stamm auch ein wenig selbst aus und gehört sogar mehreren an. Man ist Vereinsmitglied bei einem Fußballverein, Fan einer Marke, Anhänger einer Partei usw. Kommunikations- und Marketingstrategen wissen das und halten in den Unternehmen nach innen und außen die Tugend einheitlicher Ästhetik hoch, weil schon sie verbindend wirkt. Kein Wunder, dass das auch aufs Controlling und seine Berichte abfärbt, pardon, ausstrahlt. Dagegen ist nichts zu sagen, wenn man es nicht übertreibt und dann der eigentliche Zweck des Controllings behindert oder gar karikiert wird. Hier schon kritisiert haben wir Unternehmen wie Vodafone oder die Sparkasse, deren CI sehr rot ist und in ihren Geschäftsberichten auch den größten Gewinn mit roten Zahlen drucken. Das halte ich für Unfug.
Das nächste Mal bringen wir weitere Regeln zum Umgang mit Farben und klären, ob und wie sich mit Farben codieren und signalisieren lässt. Wir heben uns das auf, weil wir auf der CeBIT etwas Neues dazu zeigen wollen.