Wie bildverliebt dürfen Business Intelligence und Controlling sein, wie wichtig sind Diagramme? Am 10. März haben wir erklärt, warum Diagramme in den Wirtschaftsnachrichten keine Vorbilder sind. Hingegen sollte sich das Controlling viel von den Überschriften und der Einbettung von Zahlen in Texten abschauen. Darin ist der Wirtschaftsjournalismus immer wieder Vorbild.
Wir hatten das Thema hier schon einmal [1], jetzt hat es mich neu beschäftigt. Angeblich erleben wir seit langem eine Wende zum Bild („Iconic Turn“), weil ihm mehr zuzutrauen sei als dem Wort. Stimmt das? Blättert man durch Wirtschaftsteile, Managermagazine, Börsen- oder Handelszeitungen, so überrascht der geringe Anteil von Diagrammen und anderen Bildern. So enthalten in der FAZ von heute die eng bedruckten 13 Seiten zu Wirtschaft, Unternehmen, Finanzen und Fonds gerade einmal neun kleinformatige Diagramme.
Überschriften
Vor allem Überschriften zeigen, wie effizient Sprache darin sein kann, mit Informationen umzugehen, die auf Zahlen beruhen: „1,6 Milliarden Pakete – DHL knackt schon den Vorjahreswert“, hieß es u.a. in der FAZ, noch bevor das Weihnachtsgeschäft im vergangenen Jahr startete. Bei Statista gab es ein Diagramm dazu mit einer ähnlichen Überschrift.
Sprache gelingt hier, was aus dem Diagramm nur mit genauem Hinsehen abzuleiten wäre. Das Diagramm liefert fraglos mehr Details, ausgerechnet mit der eigentlichen Botschaft tut es sich aber schwer. Dass der Paketrekord unterjährig eingestellt wird, muss das Kleingedruckte per Sternchentext erklären. Offenbar gibt es keinen passenden visuellen Ausdruck für Säulen, die noch nicht abgeschlossene Zeiträume repräsentieren sollen.
Es mag überraschen, wie stark Sprache darin ist, komplexe Datenkonstellationen knapp zu beschreiben. Superlative funktionieren besonders gut. Aber auch anderes lässt sich gut versprachlichen: „In diesem Jahr stellt die Deutsche Post DHL wohl 15 % mehr Pakete zu als noch im Vorjahr“, schreibt die FAZ. Das ist schneller formuliert und verstanden, als das ins Diagramm zu integrieren wäre. Das gilt auch für Sätze wie diese:
DAX schließt knapp im Plus. [3]
HelloFresh mit mehr Umsatz und Sprung in die Gewinnzone. [4]
Over 70% of journeys are made by car – be it private car, taxi or carsharing. [5]
Der deutsche Automarkt ist 2020 auf das Niveau von 2010 geschrumpft. [6]
Revenue increased more than it had in the previous 11 years combined. [7]
The yield on the 10-year Treasury rose to 1.459% in February, the largest one-month gain since 2016. [8]
Cars account for 81.4% of inland passenger transport in the European Union. [9]
Smartphone-Markt: Apple hängt Samsung ab. [10]
Umgekehrt funktioniert Sprache auch. Interpretation statt Information entlarvt sich in Sprache schneller als in Diagrammen. In Sätzen wie „Jetzt schießen die Weizenpreis durch die Decke“ [11] oder „Kursrutsch nach Rekordjagd: Bitcoin fällt um mehr als 10 Prozent“ [12] drückt sich mehr Bewertung als Nachricht aus. Manches gerät auch kurios, so wie der Satz: „Höchster Quartalsgewinn im laufenden Geschäftsjahr“ [13], der sich auf das dritte von vier Quartalen eines Geschäftsjahrs bezieht.
Fazit
Wir lesen schneller, als wir die Abstraktion vieler Diagramme verstehen. Sprache liefert Konnotation. Zahlen und Zahlworte sind bereits integraler Bestandteil von Sprache. All das stellt Sprache in den Wettbewerb mit Diagrammen, der auch im Business Intelligence und Controlling öfter geführt werden sollte. Die Empfänger danken es immer, wenn Inhalt genauso präzise, aber schneller übermittelt werden kann. Controller sind oft Vorbild in Sachen Sparsamkeit. Diagrammerstellung ist oft teuer – und zu teuer, wenn ein Satz dasselbe leisten kann.
Quellen
[1] bissantz.de
[2] statista.com
[3] finanzen.net
[4] finanzen.net
[5] acea.be
[6] manager-magazin.de
[7] wsj.com
[8] wsj.com
[9] acea.be
[10] tagesschau.de
[11] agrarheute.com
[12] manager-magazin.de
[13] deutschebahn.com