“Logarithmische Skalen verstehen wir nicht, lineare schon”, sagen manche. Lineare Skalen versteht man falsch, sagen wir. Und nur logarithmische zeigen die Dinge richtig – ob man versteht, warum das so ist, ändert daran nichts. Hier der Beweis.
Die Verschuldung der USA bzw. die Diagramme dazu beschäftigen uns immer noch. Beim letzten Mal hatten wir argumentiert, die Entwicklung absoluter Werte dürfe man nicht auf einer linearen Skala abbilden. Zumindest dann nicht, wenn die Wertunterschiede groß sind. Dann nämlich kommt es zu Verzerrungen, Übertreibungen und Fehlinterpretationen.
Schuldenmacher oder Wachstumshelfer? George Bush sen., Barack Obama, George W. Bush, Bill Clinton und Jimmy Carter im Oval Office.
Die Problematik der Verschuldung der USA in Höhe von etwa der Summe des Bruttoinlandsprodukts eines Jahres ist ein kompliziertes Problem, zu dem auch Ökonomen keine einhellige Meinung haben. Die Boulevardisierung mit Panikcharts führt unserer Ansicht nach aber eher dazu, dass die Befürchtungen, vor denen damit vermeintlich gewarnt wird, erst recht eintreten.
Zurück zur Visualisierung. Das letzte Mal hatten wir festgestellt: Mit logarithmischen Skalen macht man nie etwas falsch, mit linearen selten etwas richtig. Das hatten wir anhand der Entwicklung der absoluten Schuldenhöhe der USA gezeigt. Offen geblieben war die Frage, ob unser Ergebnis auch für prozentuale Werte gilt. Das können wir daran untersuchen, wie sich die amerikanischen Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt entwickelt haben. Wir tragen die Verschuldung also zunächst in Prozent zum BIP ab.
Die Schulden der USA in Prozent vom Bruttoinlandsprodukt von 1940 bis 2016 (2011 bis 2016 geschätzt) – links linear, rechts logarithmisch skaliert.
Wie wir sehen, kommt es auch bei Prozentwerten zu Verzerrungen. Wie stark die Verzerrungen sind, hängt nicht davon ab, ob wir absolute oder prozentuale Werte abtragen, sondern von der Spannweite der Werte. Und die kann auch bei prozentualen Werten ausreichend groß für Verzerrungen sein. Im vorliegenden Fall halte ich sie für erträglich, da sie die grundsätzliche Interpretation des Verlaufs wenig verändern.
Aus inhaltlicher Sicht fehlt uns jetzt aber der Vergleich zur Entwicklung des BIP. Befürworter des Schuldenmachens argumentieren, dass schuldenfinanzierte Investitionen des Staates dem BIP zugutekommen und es weniger auf die Höhe der Schulden ankomme, sondern darauf, wie klug der Staat investiert. Solange das Wachstum des BIP das Wachstum der Schulden übersteige, lohne sich das Schuldenmachen für die Volkswirtschaft. Also zeigen wir Schulden und BIP gemeinsam.
Die Schulden der USA (rot) im Vergleich zu ihrem Bruttoinlandsprodukt (blau) von 1940 bis 2016 (2011 bis 2016 geschätzt) – oben linear, unten logarithmisch skaliert. Anklicken zum Vergrößern.
Der gewählte Zeitraum ist mit 75 Jahren beeindruckend lang, also dürfen wir uns einige Zeit nehmen, diesen Datenschatz zu studieren. Es lohnt sich, das einmal linear, einmal logarithmisch zu tun. Sehen Sie selbst.
- Die ersten 25 Jahre der Entwicklung bleiben bei linearer Skalierung im Dunkeln. Die großen Werte am Ende der Zeitreihe drücken die kleinen Werte am Anfang „platt“. Man meint die Entwicklung der Daten zu sehen und sieht sie eben doch nicht. Der Blick in die Historie misslingt, die Mühe für die Beschaffung der Daten war umsonst. Und am schlimmsten: Man täuscht sich gründlich.
- Bei logarithmischer Skalierung sehen wir: Der bisher rasanteste Schuldenanstieg fällt in die 1940er Jahre. Von 1944 bis 1948 überstiegen die Schulden das BIP. Ab 1948 wuchs das BIP immer deutlich stärker als die Schulden.
- Zwischen 1965 und 1983 glaubt man bei linearer Skalierung die guten alten Zeiten zu sehen. Das BIP wächst vermeintlich viel stärker als die Schulden. Die logarithmische Skala rückt das gerade. Man sieht eine fast parallele Entwicklung und so ist es auch: BIP und Schulden wuchsen in dieser Zeit um 400 bzw. 326 Prozent.
- Von 1983 bis 1993 ist der Täuschungseffekt umgekehrt: Wo die Schere in den Daten zu geht, sieht man linear skaliert eine scheinbar parallele Entwicklung. Das BIP hat in dieser Zeit um 90 % zugelegt, die Schulden hingegen haben sich verdreifacht. So ist es und bei logarithmischer Skalierung sieht es auch so aus.
Was zu beweisen war: Man muss den Logarithmus nicht kennen, um seine Daten zu verstehen. Man muss aber die Tücken der linearen Skalierung kennen, um seine Daten nicht falsch zu verstehen. In unserem Beispiel müsste man in der linearen Grafik das Muster der logarithmischen sehen, um Feind des Logarithmus bleiben zu können. Mit bloßem Auge müsste man alle Verzerrungen der linearen Grafik erkennen und umdeuten. Meine Augen könnten das nicht. Ihre?