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Wer kurz hört, der schwer sieht

Wenn das Geschäft brummt, ist das buchstäblich so. Wir hören Telefone klingeln, das Geräusch eiliger Schritte und den Hall vieler Gespräche. Wir hören Umsätze, bevor wir sie sehen. Es wird Zeit, in der Datenanalyse dem Gehör mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Das Hören ist ein Sinn mit elementarer Kraft.* Wir können die Augen schließen, aber nicht die Ohren. Man kann sehen, ohne wahrzunehmen. Wir können hindurch sehen und wir können übersehen. Das Ohr aber ist unerbittlich. Dreht jemand den Ton leiser, spitzen wir erst recht die Ohren. Meine These ist: Beim Erkennen und Verstehen gehen Hören und Sehen Hand in Hand. Aber wir nutzen diesen Umstand noch nicht ausreichend für die Datenanalyse. Einen kleinen Fortschritt haben wir jetzt geschafft.

Der Künstler Johannes Kreidler, Bella hatte es schon beklagt, zog die Auswirkungen der Finanzkrise ins Groteske. Er hinterlegte die einbrechenden Börsenkurse in Liniendiagrammen mit Musik und mischte sie mit Szenen aus dem Kinderballett. Künstlerisch will ich das nicht bewerten. Jedoch, der Kaufmann in mir war geknickt. Kreidlers wenig ernsthafte Deutung erfuhr hohe Aufmerksamkeit, Dutzende Radiostationen und Zeitungen brachten seine Geschichte.

Unsere analytische Variante klanganimierter Zeitreihen blieb bisher hingegen Sache von Fachanwendern in Controlling- und Finanzabteilungen. Die Idee, Hören und Sehen gleichzeitig für die Analyse von Daten zu erschließen, ist zu wertvoll und fruchtbar, als dass ich sie dadurch korrumpiert sehen möchte, dass sie einer breiten Öffentlichkeit als unterhaltender Gag präsentiert wird. Tatsächlich lenkt eine Tonfolge das Auge derart, dass wir das Muster einer Zeitreihe schneller begreifen.

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Eine Möglichkeit, Daten audiovisuell zu zeigen. Drücken Sie auf Start, jede Reihe wird dann zweimal “vorgespielt”.

Es scheint sich so zu verhalten: Das Auge kann etwas sehen, aber ob wir das Gesehene begreifen, hängt von mitunter von Gedankengängen ab, für die wir einen Schubs benötigen, den nicht das Sehen allein leistet. Dazu müsste der Effekt eine Reizschwelle überschreiten, was nur bei extremen Mustern per se gelingt. Das Hören leistet einen solchen Schubs. Wer sich davon live überzeugen möchte, kann das auf der Tagung Elektronische Medien & Kunst, Kultur, Historie (EVA 2009) in Berlin tun. Dort zeigen wir ein Beispiel.

Wir haben bereits im Jahr 2000 Zeitreihen vorgestellt, die mit Tönen hinterlegt waren. Je höher der Wert, desto höher der Ton. Ich finde also: Wir Betriebswirte haben schon gezeigt, dass Hören und Sehen sinnvoll für analytische Zwecke verschmelzen können. Daran arbeiten wir weiter. Ernsthaft.

* Was Autobauern die klangliche Komponente ihrer Produkte bedeutet, beschreibt Timo Frasch lesenswert in der FAZ am Sonntag (“Die Herznote des Klangs”, FAZ Nr. 41 vom 11.10.2009, S. 14).

Nicolas Bissantz

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