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Mehr Zahl! Mehr Bauch!

Am 27. Mai sind wir im Hotel de Rome in Berlin und diskutieren über Management zwischen Intuition und Automation. Die menschliche Intuition filtert und verdichtet Details zu Signalen. Business Intelligence will das auch. Braucht Führung mehr Bauch? Braucht Bauch mehr Zahl?

Wir fahren wieder nach Berlin und werden dort über die Zukunft des Business Intelligence sprechen, so wie wir das schon vor zwei Jahren und vor vier Jahren gemacht haben. Das Motto unserer diesjährigen Veranstaltung heißt „Management zwischen Intuition und Automation“. Mit dabei ist dieses Mal der Extrembergsteiger Reinhold Messner. Er wird über Risikomanagement referieren. Und er sagt: „Meinen Instinkten wage ich nicht zu widersprechen.“


Im Ballsaal des Hotel de Rome wird wieder viel Platz sein für neue Ideen. Früher blickten Bankmanager aus ihren Büros in die ehemalige Schalterhalle. Der Blick aufs Geschehen ergänzte das Faktenwissen um intuitive Eindrücke.

Instinkt und Intuition brauchen wir immer dann, wenn schnell entschieden werden muss, unter Unsicherheit und ohne vollständige Information. Bei näherem Hinsehen also immer auch dann, wenn Manager entscheiden, weil immer wenigstens eine, wenn nicht alle dieser Bedingungen zutreffen. – Aber Moment: Verspricht Business Intelligence nicht eben dafür Abhilfe? Durch Signale, Verdichtung, Filterung?

  • Signale Über die Gefahren von Signalkonzepten fürs Management lamentiere ich öfter. Wiederholt sei nur so viel: Wer sich auf die Signale anderer verlässt, ist schnell verlassen. Und der These, dass die Hörigkeit gegenüber den AAAs und BBBs der Ratingagenturen zur Finanzkrise beigetragen hat, stimme ich zu. Signale fürs eigene Handeln finden wir am besten selbst. Durch eigenes Studium von Zusammenhang und Detail.
  • Verdichtung Ebendieses Detail meinen die Anhänger von Dashboard- und Scorecard-Konzepten den Managern vorenthalten zu müssen, da sie darin sonst ersöffen und auch verdichtet Signal genug übrig bliebe. Und natürlich kann es keinen Zweifel geben, dass das Große und Ganze sich in GuV und Bilanz durchaus ausdrückt und gewürdigt werden muss. Aber was macht der Manager den Rest des Tages? Er widmet sich dem Detail eben ohne Hilfe aus dem Controlling. Er läuft durchs Unternehmen, er spricht mit Lieferanten, Kunden, Mitarbeitern, Investoren. Erst vor einigen Tagen berichtete ein befreundeter Vorstand, wie viel Augenmerk er darauf legen muss, hinter den Zahlen seine Wirklichkeit zu finden. Jede verdichtete Output-Kennzahl, sagt er, ist für ihn unerheblich, solange er nicht weiß, ob die produzierten Mengen auch in der Struktur zur aktuellen Nachfrage passen. Und immer wieder muss er feststellen, dass Aggregation auch zur Manipulation einlädt.
  • Filterung Ganz ohne Aggregation geht es dennoch nicht. Und ohne Selektion sowieso nicht. Deswegen wünschen wir uns intelligente Algorithmen, um jene Details zu finden, die wir gesamthaft kennen wollen. Die menschliche Mustererkennung legt die Messlatte dafür sehr hoch. Im eigenen Unternehmen haben wir einen Leitstand, der uns mit einer täglichen Flut von 1.500 Gesprächsnotizen, Besuchsberichten, Protokollen, Fortschrittsmeldungen, Supportfällen und anderen Texten aus unserem CRM-System konfrontiert. Unsere Geschäftsführer würdigen davon zwar nur einen Teil, das assoziationsstarke menschliche Gehirn leitet daraus aber fast mühelos ein stimmiges Gesamtbild ab. Gerade arbeiten wir an Regeln für die automatische Interpretation dieser Einträge, um den Durchsatz der Details zu erhöhen: In gleicher Zeit, mit gleicher Mühe sollen die Geschäftsführer mehr vom Tagesgeschehen aufsaugen. Eine Art systematischer, elektronischer Flurfunk, gestützt auf Data Mining. Einen Text auf das Wesentliche zu reduzieren, gelingt dem Auge-Hirn-System in unfassbarer Geschwindigkeit und mit hoher Treffsicherheit. Das der Maschine beizubringen, ist eine schwierige Aufgabe. Bisher lassen wir für unseren Leitstand nur äußerst robuste Regeln zu. Diese wiederum beruhen auf nicht übertragbarem, spezifisch für unser Unternehmen gefundenem Domänenwissen. Allein in unseren Thesaurus haben wir 200 Stunden investiert.

Wir sehen also: Gutes BI zeigt viele Details. Und zwar die richtigen. Und zwar gut aufbereitet. Automation hilft uns dabei: Der Rechner kann Suchprozesse und die Hypothesenbildung in riesigen Datenräumen übernehmen, Muster generieren, eine integere Präsentation regelbasiert unterstützen, Verdachtsmomente generieren und dort Intuition nachahmen, wo Routine das Zeitbudget des Menschen überfordern würde. Damit unterstützen wir, in Teilen ersetzen wir Intuition durch Automation.

Und damit sind wir wieder bei unserer Veranstaltung in Berlin und bei Reinhold Messner. Messner steht für extreme Entscheidungssituationen. Auf seinen Grenzgängen ging es häufig ums eigene Leben. Die Unwegsamkeit, der Messner in den unwirtlichsten Teilen der Welt begegnet, übersteigt die Vorstellung von uns alpinen Laien. Für die Erfassung der Situation standen ihm die eigenen Sinne, vielleicht noch eine Wetterprognose und die Expertenmeinungen der Partner zur Verfügung. Managern steht ein Vielfaches an Entscheidungsunterstützung zur Verfügung. Dürfen oder müssen es Manager deswegen wagen, ihren Instinkten zu widersprechen? Sind Instinkte nicht viel mehr die Summe aller bewussten und unbewussten Fakten, gefiltert durch Erfahrung, konzentriert auf einen emotionalen Impuls, unendlich schnell im Kopf gerechnet? Dann ist es Aufgabe des Business Intelligence zu helfen, diese moderne Sicht auf die Unternehmensführung zu unterstützen und sich endgültig zu verabschieden vom eindimensionalen Einerlei einer simplifizierten Kennzahlensteuerung.

Ich freue mich auf Berlin, auf Reinhold Messner und auf die Wirkung, die die Veranstaltung auf uns und andere haben wird, so wie schon zweimal zuvor.

Nicolas Bissantz

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