Bissantz & Company betreibt Grundlagenforschung für Business Intelligence – auf der Rennstrecke. Jetzt setzte der Gründer und wissenschaftliche Leiter Dr. Nicolas Bissantz eins drauf: Um die Wirksamkeit neuer Konzepte zum Entscheiden unter Druck nachzuweisen, konkurrierte er in der Porsche Sprint Challenge Central Europe (PSCCE), einer FIA-Rennserie, die mit getrennten Klassen für Profis und Amateure international ausgetragen wird.
Abstimmung an der Rennstrecke: Nicolas Bissantz und Markus Enzinger besprechen Seheindrücke und Schlussfolgerungen für das nächste Rennen.
Zur Vorbereitung setzt Bissantz auf bessere Lernkonzepte und Simulation. Über die Verbindung von Forschung in Management und Motorsport spricht er mit Rainer Linse, dem Geschäftsführer von confidence consult und langjährigen ICV-Mitglied – der selbst ein begeisterter Sim Racer ist.
Rainer Linse: Dr. Bissantz, Sie sind Unternehmer, der seine Doktorarbeit zur Grundlage für die Gründung gemacht hat, und erforschen seit 25 Jahren die Analyse betriebswirtschaftlicher Daten. Jetzt fahren Sie in der PSCCE mit und haben dort in den ersten Rennen schon vier Mal auf dem Podium gestanden. Haben Sie Benzin im Blut und gehen jetzt unter die Rennfahrer?
Nicolas Bissantz: Weder noch. Im Gegenteil bin ich froh, einen Bürojob zu haben und vor allem mit dem Kopf arbeiten zu dürfen. Permanent von persönlichen Höchstleistungen leben zu müssen, stelle ich mir schwierig vor.
RL: Rennfahrer sein ist für viele ein Kindheitstraum. Sie verbinden ihn jetzt mit Ihren akademischen Ambitionen …
NB: Die PSCCE wird von den Lechner-Brüdern organisiert. Beim Vater habe ich als Achtzehnjähriger in der berühmten Racing School mal im Rennwagen gesessen, einem Formel Ford 1600. Als ich am Österreich-Ring ankam, trainierte Nelson Piquet dort gerade. Der Anblick des vorbeirasenden Wagens, das Kreischen des Turbomotors und die Schaltgeräusche am Ende der Start-Ziel-Geraden schockierten mich. Ich der Nacht vor Kursbeginn konnte ich kaum schlafen und meine ersten Versuche im herumhopsenden Formel-Wagen endeten in einem Dreher, den ich nicht mal im Ansatz kommen sah. Mir reichte es und ich ging wieder studieren.
RL: Inzwischen tun Sie das wieder auf der Rennstrecke. Probieren geht über studieren?
NB: Praxisnah forschen bedeutet für mich: interdisziplinär zu arbeiten und selbst die erste Versuchsperson zu sein.
RL: Welche Disziplinen sind das?
NB: Als Betriebswirt bin ich im Hauptstudium in die Wirtschaftsinformatik eingetaucht. In der Promotion zum Thema Data Mining und KI spielten Statistik und Informatik eine große Rolle. Später kam ich über psychologische Fragen der Informationsverarbeitung zur Neurobiologie – und zur Wahrnehmung. Aktuell investieren wir viel, um das Sehen zu erforschen – weil es noch so wenig verstanden wird.
RL: Dass das Lesen von Management-Berichten viel mit Sehen zu tun hat, leuchtet ein. Wie kommt das Rennfahren ins Spiel?
NB: Der Zusammenhang zwischen Business Intelligence und Motorsport erklärt sich in vier Schritten: Business Intelligence muss richtig informieren. Informieren ist lehren, informiert werden ist lernen. Im Motorsport korrelieren die Rundenzeiten mit dem Lehren und Lernen des richtigen Sehens. Am eigenen Lernen entschlüssele ich die Geheimnisse des Sehens und entdecke neue Ansätze für das Lehren und Informieren.
RL: Man sollte meinen, sportliche Erfolge hängen stark am Talent und Motorsport hat viel mit der Koordination von Händen und Füßen zu tun?
NB: Tatsächlich steuert man ein Rennauto mehr mit den Augen als mit Händen und Füßen. Grob gesagt: Man fährt dorthin, wohin man schaut. Jedes Mal, wenn ich Sehfehler ausgemerzt hatte, wurde ich schneller.
RL: Das klingt nach einem bewussten Prozess, den man im Business Intelligence vom Leser abverlangen muss. Müssen Manager in die Sehschule?
NB: Wir alle müssen dahin. Unsere Spitzensportler zum Beispiel können international nur noch mithalten, wenn sie ihre Augen trainieren. Die meisten Menschen an Computerarbeitsplätzen können nicht ohne Lineal in derselben Zeile bleiben. Dass man das im Bildungsministerium bisher nicht zur Kenntnis zu nehmen scheint, ist ein Wettbewerbsnachteil für unsere Wirtschaft.
RL: Computerarbeiter brauchen dieselben Sehfähigkeiten wie ein Tischtennisprofi?
NB: Wenn Software weiterhin so doof gemacht ist wie bisher: ja.
RL: Was bedeutet das konkret fürs Business Intelligence?
NB: Rennstrecken sind „challenges by design“, blinde Kuppen und sich verengende Kurven machen es dem Auge mit Absicht schwer. Eine erste Maßnahme im Business Intelligence ist daher, es dem Auge leicht zu machen. Was leicht und was schwer ist, lernt man auf Rennstrecken mitunter schmerzhaft. Falsch gesetzte Kontraste und unnötig Auffälliges lenken das Auge ab und man liest und lenkt falsch.
RL: Das bedeutet, Sie kommen von der Rennstrecke zurück, gehen in Ihre Entwicklungsabteilung und geben neue Funktionen in Auftrag?
NB: Nein, das mache ich vorher schon telefonisch. Im Ernst: Die Schlussfolgerungen, nicht nur für Software, liegen derart auf der Hand, dass wir auch in Randbereichen unseres Tuns Patente anmelden und bekommen konnten. Genau genommen ist es eine Schande, wie entsetzlich augenfeindlich die Dinge gestaltet sind, die uns das Leben erleichtern sollen.
RL: Haben Sie ein Beispiel für so eine Schlussfolgerung?
NB: Auf dem Circuito Espana hatte ich mehrere Runden lang Schwierigkeiten, die Einfahrt in eine Schikane zu meistern. Jedes Mal wollte ich geradeaus weiterfahren statt abzubiegen. Nach einigem Nachdenken und Studium der On-board-Aufnahmen kam ich dahinter, warum: Geradeaus stand eine Reihe Pylonen. Die auffällig rot-weiße Lackierung lenkte jedes Mal meinen Blick ab, meine Hände folgten – bis ich lernte, diese Auffälligkeit zu ignorieren. Also gilt: Was immer wir gestalten, das Auffälligste muss das Wichtigste sein. Denn dort blickt das Auge unweigerlich hin.
RL: Was macht man mit dieser Erkenntnis in Business-Intelligence-Software?
NB: Vieles. Jedes Pixel soll Information tragen. Daten müssen Signale formen, die in der peripheren Wahrnehmung gegebenenfalls ergänzt, aber nicht konterkariert wird. In unserer Software nennen wir das: Berichtswetter. Den Umweg, den viele Grafiken darstellen, können wir abkürzen durch typografische Skalierung von Zahlen – unsere sogenannten Bissantz’Numbers. Vieles, was heute noch statisch ist, kann interaktiv werden, sodass gedankliche Sequenzen mit Interaktionssequenzen in Übereinstimmung gebracht werden. Ich spreche hier vom Haptic Reasoning, das den Kern unseres Bissantz DashBoards ausmacht. Und ganz allgemein brauchen wir alle dringend Lernprogramme, um spielerisch unsere Augen zu trainieren. Da ist noch einiges zu tun.
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