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Man kann die Augen schließen, aber nicht die Ohren

Manager bekommen mehr Informationen, als sie aufnehmen können. Die Aufnahmekapazität ist damit der Engpassfaktor für das Business Intelligence. Wie wir diese Kapazität vergrößern können.

Von 1993 bis 1995 war ich wissenschaftlicher Mitarbeiter von Professor Peter Mertens, dem Begründer der Wirtschaftsinformatik. Wie das so üblich ist, hiel­ten wir in dieser Zeit (und auch später) gemeinsam Vorträge. Unser Thema: Wie können Computer Führungskräfte bei ihrer Arbeit unterstützen? Ein Zitat durfte bei keinem Vortrag fehlen. Es stammt vom Nobelpreisträger Herbert A. Simon und bringt die Sache auf den Punkt: „Information ist not scarce. Scarce is Manager’s time to attend to all the information that is available.“

Notifikation am Smartphone - wann immer, wo immer
Controlling mit den Ohren: Jede neue Anmeldung für unser Executive-Forum in Berlin drängte sich per Tonsignal in meine Wahrnehmung – wann immer, wo immer.

Die Aufnahmekapazität von Führungskräften ist begrenzt. Simon sagte das schon 1973. Managementinformation bestand damals aus Stapeln von Endlos­papier, grün-weiß gestreift und eng mit Zahlen bedruckt. Dialogsysteme und OLAP-Datenbanken sind großartig, aber sie ändern nichts an der Kapazität der Führungskräfte.

Was wir tun können, ist immer noch dasselbe: Erstens: Der Computer kann dabei helfen, die vorhandenen Informationen zu filtern. Das ist eine gute Idee; manches ist hier erreicht, aber die Sache ist voller Tücken. Die in die­sem Blog regelmäßig kritisierten Tachos, Ampeln, Dashboards sind Ausdruck übertriebener Filterung. Zweitens: Wir verringern die Kapazitätsver­schwendung durch Rätselcharts, Firlefanz und magersüchtig dünnes Repor­ting. Datendichte, integre Darstellungen, helfen dabei – unser Lieblings­thema. Das Potenzial für einen dadurch erhöhten Informationsdurchsatz ist riesig und dem gilt unser Augenmerk. Drittens und besonders faszinierend: Wir erhöhen die Kapazität! Wie das? Dazu ein Beispiel aus dem eigenen Unternehmen.

Projektcontrolling Executive-Forum, Berlin 2011

Alle zwei Jahre veranstalten wir ein sogenanntes Executive-Forum, zu dem wir Führungskräfte einladen, um über die Zukunft des Business Intelligence zu sprechen. Rahmen und Ziel der Veranstaltung sind ambitioniert, die Vorberei­tung ist furchterregend aufwändig. Als Gastgeber wünscht man sich ein volles Haus. Unsere Mitarbeiter geben dafür ordentlich Gas, sollen jedoch keine Kom­promisse hinsichtlich der angepeilten Zielgruppe machen. Das letzte Mal war Extremabenteurer Reinhold Messner unser Hauptredner. Ich wollte zeigen, was wir vom Meister des intuitiven Risikomanagements für das Management lernen können. Das spricht vor allem Vorstände, Aufsichtsräte, Geschäftsfüh­rer und Bereichsleiter an, die sich gedanklich ausreichend weit vom Tagesge­schäft entfernen können, um über Themen mit einem Entwicklungshorizont von mehreren Jahren nachzudenken. Ich konzipiere und moderiere die Veran­staltung und während der langen Wochen vor der Veranstaltung interessiert und motiviert mich naturgemäß der Verlauf der Anmeldungen. Jede einzelne Zusage freut mich.

Notifikation per Klingelton

Wir parametrierten unser unternehmenseigenes Controllingsystem so, dass es regelmäßig den Stand der Anmeldungen prüft und bei einer Änderung eine sogenannte Notifikation an mein Smartphone sendet. Egal, wo ich war, ein spezieller Ton oder mehrere davon informierten mich beinahe in Echtzeit, ob eine oder mehrere Anmeldungen hinzugekommen waren.

E-Mail-Header mit der Hauptinformation in der Betreffzeile
Kleine Änderung, große Wirkung: E-Mail-Header mit der Hauptinformation in der Betreffzeile

Erste Erfahrungen aus dem Selbstversuch

Ich war von der Wirkung dieses einfachen Konzepts begeistert. Ich fand: Das Ohr versteht schneller als das Auge. Ich nahm die Information „2 Töne gleich 2 neue Anmeldungen“ in einer Weise wahr, als wäre mein Gehirn direkt damit verdrahtet. Die Information erreichte mich, ohne dass ich dafür Management­kapazität abzweigen musste. Weder musste ich daran denken, einen Bericht abzufragen, noch musste ich die Zeit aufbringen, ihn zu lesen. Die Information war positiv und wichtig für mich, sie konnte ihre motivierende Wirkung so früh wie irgend möglich entfalten. Mein Smartphone habe ich ohnehin dauernd in der Hand; die zusätzliche schriftliche Angabe zum kumulierten Anmeldestand abzulesen, war damit auch mühelos.

Sehen ist verstehen

Derart motiviert, suchte ich nach weiteren Möglichkeiten der Kapazitätserwei­terung. Zu unserem Controllingkonzept gehören Reports, die zu festen Zeiten per E-Mail versandt werden. Zunächst beschrieb die Betreffzeile lediglich, welchen Inhalt ein derartiger Report hat. Um Genaueres zu erfahren, musste ich die E-Mail öffnen. Ein Umweg. Jetzt zeigen alle unsere E-Mail-Reports eine oder mehrere auswählbare Spitzenkennzahlen bereits in der Betreffzeile. Die Wahrnehmung „E-Mail eingegangen“ und zum Beispiel „Auftragseingang heute 347.000“ sind damit eins. Wieder stellt sich das Gefühl einer festen Verdrah­tung von Information und Gehirn, Wahrnehmung und Verständnis ein.

Ich kann Ihnen sagen: Controlling kann eine sehr schöne Sache sein.

Nicolas Bissantz

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