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Computer aus Pandora

Mit iPads kann man keinen Fisch einwickeln und auch ein paar andere Gründe können die Anhänger analoger Medien weiter beruhigt sein lassen. Aber die digitale Welt wird nicht mehr sein, wie sie war. Warum? Weil das iPad so analog ist.

Meinem Nokia 6820 hielt ich sehr lange die Treue. Als man es schon lange nicht mehr im Laden kaufen konnte, besorgte ich mir zwei gebrauchte Geräte, mit denen ich den Produktlebenszyklus dieser von Nokia bis heute nicht wieder aufgelegten Handygattung um einige Jahre verlängern konnte. Erst vor kurzem gab ich auf und gehöre nach anfänglicher Distanz zu den iPhoniacs, die nach einem Autounfall als erstes nachsehen würden, ob dem Handy etwas passiert ist.

Nokia 6820

Von Smart Phones wünschen wir uns, dass sie kleine Computer sind. Und ich wünsche mir von Computern vor allem, dass sie Schreibmaschinen sind. Mein 6820 war eine besonders raffinierte. Im Hosentaschenformat, mit aufklappbar­er Tastatur, ohne Schnickschnack, ließ es mich in Windeseile kleine E-Mails (vulgo: SMS) und Gedanken aufschreiben. Vertippen? Selten.

Ganz anders mein iPhone. Bis heute lösche ich mehr, als ich schreibe. Zwei Buchstaben vor, einer zurück. Wenn ich anderen be-iPhone-ten Menschen davon erzähle, wiegen sie nachdenklich den Kopf und wollen wissen, wie lange ich mein neues Telefon schon nutze. Wenn ich sage, seit 2 Monaten, lächeln sie milde und klopfen mir tröstend auf die Schulter. Bald käme ich besser mit der Tastatur zurecht, meinen sie dann. Mit meinem Auto versteht es sich nicht besonders, die Sprachqualität ist schlechter als beim Nokia und manch anderer objektiver Nachteil geht mir auch auf die Nerven. Dennoch liebe ich es. Bedingungslos.

Als sein großer Bruder herauskam, das iPad, war ich in Deutschland wahr­scheinlich der Erste, der eines hatte. (Ätsch.) Ich finde die Abhängigkeit von Apple, in die ich mich mehr und mehr begebe, bedenklich, sehe darin beinahe etwas Totalitäres. Das schmeckt mir nicht, aber meine Gegenwehr bleibt schwach. Warum nur faszinieren uns auf einmal zwei schwarze Glasscheiben so sehr? Eine kleine als Telefon, eine mittelgroße als Computer? Glänzende Scheiben, auf denen wir wischend, spreizend und tippend fettige Spuren unserer Finger hinterlassen? Genau deswegen.

Jake im Film Avatar
Wir wollen die Dinge, die wir sehen, auch berühren. Das ist einer unserer sehr menschlichen Züge. (Szene aus dem Film Avatar, kopiert aus diesem Video.)

Erinnern Sie sich an die Szene oben aus Avatar, in der Jake dieses libellen­hafte Wesen antippt, das dann hell leuchtend und wie ein Helikopter davon schwebt? Mit der gleichen unschuldigen Geste kindlicher Neugier berührt Jake mannshohe, trompetenartige Gewächse, die dann in ein winziges Loch im Erd­boden zurückschnellen. Jakes hat daran soviel Spaß, dass er das wiederholt, bis alle Pflanzen in der Erde verschwunden sind.

Unser Zeigefinger berührt gerne, was er zeigt. Das ist nicht neu. Touch­screens sind ebenso wenig neu. Neu ist, dass Apple weitere zutiefst mensch­liche Gesten für unseren Umgang mit dem Computer erschlossen hat. Die meisten Tiere können Zeigefinger und Daumen nicht opponieren. Wir können es und sogar besonders gut. Unser ganzes manuelles Können hängt an dieser anatomischen Besonderheit. Diese für uns so typische Opponierbarkeit nutzt Apple für eine analoge Geste, die unsere vielleicht hervorragendste Eigenheit befriedigt: die Suche nach Erkenntnis. Mit einer Spreizbewegung von Daumen und Zeigefinger vergrößern und verkleinern wir, was wir auf iPhone und iPad sehen. Wir ändern Ausschnitt, Größe, Maßstab. Das alles sind Bausteine im Erkenntnisprozess.

James Camerons Parabel von den Na’vi, den Ureinwohnern des Planeten Pandora, die im Einklang mit der Natur leben, gilt auch für uns Neuzeit­menschen. Wir wollen in Einklang mit unseren Computern kommen. Dafür müssen sie analoger werden. Über eine lange Strecke haben wir uns mit Computern über Kulturtechniken verständigt. Wir haben erst Sprache, dann Schrift, dann Schreibmaschine gelernt. Die Maus hat unser Verhältnis zum Computer wieder freundlicher gestaltet. Sie hat unseren Zeigefinger verlän­gert und der Mausklick war immerhin schon eine abstrakte Form des Betas­tens. Dennoch bleiben Tastaturkürzel der schnellste Weg zum Ziel. Die Verein­fachung, die wir bei iPhone und iPad wahrnehmen, bedeutet mitunter, dass etwas einfacher im Sinne von primitiver gestaltet wurde. Und damit auch um­ständlich. Für das Business Intelligence stellen wir fest: Die archaischen Bedien­paradigmen werden uns inspirieren, die Schnittstelle für Berichts- empfänger noch freundlicher und taktiler zu gestalten. Ob es uns auch zu besseren Schnittstellen für Berichtsredakteure inspirieren kann, erforschen wir noch.

Nicolas Bissantz

Diagramme im Management

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