Ob man Achsen abschneiden darf, ist ein Streitpunkt unter Visualisierern. Dass wir es bei Säulen und Balken nicht dürfen, wissen wir schon. Wie ist es bei Liniendiagrammen?
Im Beitrag zur Deutungspriorität hatte ich behauptet, beide Varianten der Grafik wären grundsätzlich in Ordnung. Auch wenn die Achse abgeschnitten ist, entsteht keine Verzerrung der Verhältnisse. Schließlich stehen in jeder Grafik für sich die Winkel in einem proportionalen Verhältnis zur relativen Wertänderung.
Redesign, Skalierung 0 bis Max |
Redesign, Skalierung Min bis Max |
Dennoch fordert mancher Visualisierungspromi vehement, man dürfe niemals die Nulllinie weglassen, auch in Liniendiagrammen nicht, weil ja sonst alles völlig übertrieben dargestellt würde. Wohlgemerkt: übertrieben, nicht verzerrt.
Andere, zu denen ich gehöre, sagen: Bei Liniendiagrammen wollen wir den verfügbaren Platz im Sinne größtmöglicher Auflösung für größtmögliche Differenzierung nutzen. Das ist eine weitere wichtige Regel der Diagrammgestaltung. Und die wiederum erzwingt es, die Achse auf den relevanten Wertebereich einzuengen. Die Schwankungsbreite allein bringen wir ohne Grafik in einen schlichten Satz.
Daneben kommt es wie immer auf den Kontext an:
Im Managementberichtswesen dürfen wir darauf vertrauen, dass die Geschäftsführung in der Lage ist, eine beschriftete Skala für ihre eigenen Daten richtig zu deuten.
In einer Werbebroschüre hingegen wird eine Min-Max-Skalierung oft dazu missbraucht, geringe Unterschiede zu dramatisieren.
Leser dieses Blogs werden den Unterschied wohl zu deuten wissen.